Tobias Braun beschreibt, wie er seinen Weg zur Achtsamkeit findet.

Mein Weg zur Achtsamkeit

Wie ich den Augenblick schätzen lernte

Achtsamkeit ist ja erstmal ein abstraktes und geistiges Konzept, das auf den ersten Blick sperrig wirkt. Hier erkläre ich, warum es mich trotzdem gepackt hat.

Achtsamkeit bedeutet emotional als auch geistig etwas sehr Bewegendes. Nämlich, das Dasein und die Dinge mit ungeteilter Aufmerksamkeit wahrzunehmen, ohne zu bewerten, ohne anzuhaften und ohne Gedanken an das Gestern und das Morgen, ganz im Hier und Jetzt zu sein mit seinem Bewusstsein.

Ich bin eher ein pragmatischer und praktischer Mensch bin. So hat sich dieser Begriff bei mir sehr stark festgesetzt. Wie konnte das passieren? Ich habe gemerkt, dass es die Dinge, Tätigkeiten und Handlungen, die mich begeistern und lebendig fühlen lassen, bestens umschreibt.

Hesse hat mich zur Achtsamkeit inspiriert

Angefangen hat mein Interesse, als ich als Jugendlicher das Buch „Siddhartha“ von Hermann Hesse gelesen habe. Für die, die es nicht kennen: Es ist die fiktive Geschichte des Buddha und wie er zu seiner Erleuchtung kam. Das war auch eine kleine Erleuchtung für mich. Zum ersten Mal sah ich mein eigenes Dasein gespiegelt. Ausgelöst durch die spannende und lebendige Beschreibung der Figur des Siddharthas auf seinem Weg des Suchenden in der Welt.

Das hat mich tief bewegt.  Ich begann zu meditieren. Es eröffnete sich für mich ein neuer Blick auf das Leben und meine Welt. Auch wenn das pathetisch klingt, durch das Meditieren war ich mehr und mehr bereit für eine liebevolle, wache und aufrichtige Auseinandersetzung mit der Vielfalt des Lebens.

Kampfkunst und Yoga

Zeitlich ungefähr parallel bin ich aufgrund von Rückenschmerzen, häufigem Stressgefühl und innerer Unzufriedenheit zum Yoga gelangt. Seitdem ist Yoga mir ein treuer und in meine Natur übergegangener Begleiter geworden. Später, in meiner Studentenzeit, hat mich ein gebrochenes Herz zu den Kampfkünsten geführt. Zunächst zum indonesischen Pencak Silat, über das traditionelle Shaolin Kung Fu zum pragmatischeren Wing Tsun und später dem Jeet Kun Do, Bruce Lees „be water, my friend“-Stilrichtung. Das Studium der Kampfkünste hat mir geholfen mein Selbstwertgefühl, mein Selbstbewusstsein, Selbstdisziplin und meine Lebensfreude zu steigern.

Achtsamkeit durch Meditation

Das alles sind Elemente von Achtsamkeit und achtsamen Leben. Ein Zitat von einem der bekanntesten Vertreter der Begriffsschule im Westen, der Psychologe, Meditationslehrer und Begründer der wissenschaftlich belegten Methode „Mindful-based stress reduction (MBSR)“, Jon Kabat-Zinn, beschreibt den Begriff Achtsamkeit sehr treffend, finde ich:

Achtsamkeit ist von Augenblick zu Augenblick gegenwärtiges, nicht urteilendes Gewahrsein, kultiviert dadurch, dass wir aufmerksam sind. Achtsamkeit entspringt dem Leben ganz natürlich. Sie kann durch Praxis gefestigt werden. Diese Praxis wird manchmal Meditation genannt. Doch Meditation ist nicht das, was Sie denken.“ / Mindfulness is awareness that arises through paying attention, on purpose, in the present moment, non-judgementally,” says Kabat-Zinn. “And then I sometimes add, in the service of self-understanding and wisdom.”

Achtsamkeit in der Arbeitswelt bewirkt viel

Achtsamkeit ist aktuell wohl das trendigste Wort aus der Welt der Spiritualität im letzten Jahrzehnt. Weltweit wird der Begriff immer beliebter und genießt die Aufmerksamkeit der unterschiedlichsten Menschen und insbesondere in der Arbeitswelt entdecken ihn viele Berufstätige neu; ob Manager, Psychologen, Lehrer oder Computerprogrammierer. Und das interessiert mich besonders. Denn gerade in der Arbeitswelt kann Achtsamkeit viel bewirken.

Hingabe ist auch religiös

Bemerkenswert ist, dass in unserer vom christlichen Glauben dominierten westlichen Kultur, der aus dem Buddhismus stammende Begriff so populär wurde. Bei genauerem Hinsehen wundert es jedoch nicht, da eine meditative Praxis, Präsenz auf den gegenwärtigen Moment, Bewusstheit und Hingabe auch im christlichen Glauben sowie in den meisten mystischen Traditionen zuhause ist.

Die Versprechungen, die mit Achtsamkeit einhergehen, sind  einleuchtend: Der oder die Achtsamkeitspraktizierende gewinnt mehr individuelle Lebensqualität durch eine intensivere Wahrnehmung der Gegenwart und damit der individuellen Wirklichkeit.

Im wörtlichen Sinne das Sein erfahren

Der englische Begriff „Mindfulness“ ist da noch etwas greifbarer, er bedeutet nicht den Geist gefüllt zu haben (mit Informationen, Gedanken, Gefühlen…), sondern mit „geistiger Fülle“ zu leben und zu handeln.

Es geht also darum, die stets gegenwärtige Fülle des Seins in der Achtsamkeit zu erfahren, bzw. zu erkennen, dass jeder Augenblick vom Standpunkt des Bewusstseins komplett und erfüllt ist. Sehr schön lässt sich der polarisierende Kontrast im Wort selbst darstellen: Mindful ungleich Mind full!

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